Ca. 45 % der Siedlungs- und Verkehrsfläche sind in Deutschland versiegelt (Stand Januar 2024), d.h. bebaut, betoniert, asphaltiert, etc. Viele der versiegelten Flächen werden dabei kaum bis gar nicht genutzt. Durch versiegelte Flächen gehen die Funktionen von natürlichen Böden sowie die Bodenfruchtbarkeit verloren, die Wasserdurchlässigkeit ist kaum mehr gegeben und es kommt zu einem deutlich erhöhten Oberflächenabfluss. Zudem heizen sich versiegelte Flächen im Sommer stark auf und geben diese Wärme Nachts ab, wodurch sich besonders städtische Gebiete stärker aufheizen (städtischer Wärmeinsel-Effekt). Um dem entgegenzuwirken sind (Teil-)Entsiegelungen die effektivste Maßnahme. Die Entsiegelung ist bei Straßen oder größeren Flächen ein kostenintensiver und anspruchsvoller Prozess. Weniger kompliziert und kostengünstiger stellen dabei kleinere Entsiegelungen von beispielsweise Pflastersteinen im Garten oder der eigenen Einfahrt dar. Aber auch im öffentlichen Raum können in manchen Fällen kleinere Entsiegelungsmaßnahmen gemeinschaftlich durchgeführt werden, beispielsweise hat der NABU Berlin entlang eines Wasserlaufs einen alten Grillplatz in einer Mitmachaktion entsiegelt und auf der freigewordenen Fläche Sträucher gepflanzt. Hier ist die Präsentation von Juliana Schlaberg vom NABU zu der Entsiegelungsaktion zu finden.
Vorteile
Regenwasserspeicherung und -versickerung: Regenwasser ist in Zeiten von häufiger auftretenden Trockenphasen und Hitzetagen eine kostbare Ressource, die besonders in Städten über die direkte Einleitung in die Kanalisation aufgrund von Versiegelungen oftmals verloren geht. Über entsiegelte Flächen kann Regenwasser (zwischen)gespeichert werden und versickern. Dadurch wird die Überschwemmungsgefahr reduziert, Kanalisationen werden entlastet und die Grundwasserneubildung wird gefördert.
Verbesserung des Stadtklimas: Entsiegelte Böden können ihre natürliche Funktion erfüllen, indem sie Regenwasser versickern lassen und (zwischen)speichern. Dieses Wasser kann auch verdunsten und dabei besonders im Sommer die Umgebungsluft kühlen und Hitzestress reduzieren, der in stark bebauten Städten ein großes Problem darstellt.
Verbesserung der Bodenqualität und Erhöhung der Biodiversität: Entsiegelte Flächen bieten Raum für Vegetation und Bodenleben, wodurch auch Schadstoffe gefiltert werden und Kohlenstoff im Boden gebunden werden kann. Ein gesunder Boden und Vegetation bieten Tieren und Organismen einen Lebensraum und tragen zur Erhöhung der Biodiversität bei.
Mitgestaltung der eigenen Stadt: Das Gießen der bestehenden Stadtnatur oder von vorab mit anderen Bürger*innen neu angebrachtem Stadtgrün eröffnet neue Möglichkeiten bei der Mitgestaltung der eigenen Nachbarschaft.
Erhöhte Lebensqualität: Freie begrünte Flächen statt grauem Beton steigern die Umgebungsattraktivität und Aufenthaltsqualität, wodurch mehr Freizeitaktivitäten wie Treffpunkte oder Sportmöglichkeiten geschaffen werden.
Planung
Entsiegelungen sind schwer allein durchzuführen, weswegen es sich empfiehlt in einer Gruppe zusammen zu arbeiten, beispielsweise mit Nachbar*innen, lokalen Initiativen, Umweltverbänden, etc. Gemeinsam kann die Entsiegelung einfacher geplant sowie unterstützt werden. Zudem sollte sich die Entsiegelung auf „einfache“ Flächen beziehen, die aus einer einigermaßen leicht zu entfernenden Oberfläche, wie z.B. Pflastersteinen oder Mosaikpflaster, bestehen sollte.
Um geeignete Flächen zur Entsiegelung im öffentlichen Raum zu identifizieren, wendet man sich am besten an die Stadtverwaltung. Hier ist beispielsweise das Straßen- und Grünflächenamt der richtige Ansprechpartner. Dabei kann man bereits mit konkreten Flächenvorschlägen auf die Stadt zugehen. Der Fokus sollte dabei auf kleinen Flächen liegen, die als versiegelte Fläche nicht viel Nutzen bieten und nicht nah an kritischer Infrastruktur liegen (z.B. Gehwege, Stromschächte, etc.).
Die Stadt kann dabei auch Unterstützung, beispielsweise bei der Entsorgung der Pflastersteine, gefragt werden. Sofern sie dabei nicht behilflich sein kann, sollte die Entsorgung bei der Planung mitbedacht werden.
Umsetzung
- Wurden eine oder mehrere Flächen identifiziert und die Erlaubnis und relevanten Informationen bei der Stadt eingeholt, so kann die Entsiegelungsaktion, beispielsweise als offene Mitmachaktion, geplant und beworben werden. Jede helfende Hand verschnellert die Aktion und sorgt für mehr Aufmerksamkeit der Entsiegelungsthematik.
- Entfernt Pflastersteine mit Hacken, Steinhebern oder Steinziehern. Bei stärkeren Befestigungen der Steine, beispielsweise mit Beton, sollte die Aktion durch Expert*innen und ihre Maschinen unterstützt werden. Auch hier könnt ihr zum Beispiel beim Grünflächenamt nachfragen So kann gewährleistet werden, dass die Maßnahmen erfolgreich und effektiv umgesetzt werden, gerade wenn es sich um eine Vollentsiegelung handelt.
- Füllt den entstandenen abgesenkten Boden ggf. teilweise mit Sand auf, je nachdem wie viel Mutterboden danach noch aufgetragen werden soll.
- Für eine Bepflanzung der Fläche tragt reichlich neuen Mutterboden auf, je nach geplanter Bepflanzung 20 cm oder mehr. Danach könnt ihr Wildblumensamen, Stauden oder andere Pflanzen eurer Wahl einpflanzen.
- Entsorgt die entfernten Pflastersteine, beispielsweise bei der Stadt oder Wertstoffhöfen oder fragt Baustellen nach Interesse einer Wiederverwendung der Steine an.
Wichtig zu beachten
Gerade bei Entsiegelungen von Böden, die lange ungenutzt waren, ist immer etwas Vorsicht geboten. Denn es könnten vorhergesehen Altlasten, schützenswerte Lebewesen oder andere Möglichkeiten bestehen. Sollte bei der Entsiegelung etwas auffällig oder unvorhergesehenes passieren, dann bitte immer bei den Verantwortlichen melden, um weitere Schritte zu planen.
Rechtliche Aspekte und Ansprechpartner*innen
Für Entsiegelungsmaßnahmen ist stets die Stadt nach Erlaubnis zu fragen. Diese können dabei zusätzlich Informationen über Altlasten oder Ausgangssituation der zu entsiegelten Fläche liefern.
Förderung und Einsparung
- Fördermittel für Klimaanpassungsmaßnahmen werden oft von den Gemeinden, Bezirken oder Städten selber ausgeschrieben. Recherchiere für deine Stadt nach möglichen Fördermitteln oder kontaktiere zuständige Behörden. Mehrere Städte haben Förderprogramme für Entsiegelungen auf privaten Grundstücken, Hier hat die Stadt Bremen bspw. ein Förderprogramm für die Entsiegelung von Flächen eröffnet.
- In Nachbarschaften kommen potentiell bestehende Bürgerfonds für eine Finanzierung in Frage, die beispielsweise über das Quartiersmanagement, Stadtteilmanagement oder Bürgerplattformen /-stiftungen verwaltetet werden.
- Über diverse Crowdfundingplattformen können zudem private Spenden gesammelt werden
Weiteres Infomaterial
- Im Rahmen des Projekts „Klimaanpassung selbstgemacht“ haben wir ein Webinar zu bürger- und zivilgesellschaftlichen Entsiegelungen im öffentlichen Raum durchgeführt. Hier finden sich die Präsentationen des Webinars mit drei verschiedenen Praxisbeispielen.
- Die Koblenzer Hochschule für Gesellschaftsgestaltung hat den niederländischen Wettbewerb „Tegelwippen“ zur Entsiegelung von Böden nach Deutschland geholt und mit einer Vorlesungsreihe zum Thema gestartet. Alle Vorlesungen können hier angesehen werden.
- Die Deutsche Umwelthilfe hat 2024 ihren Hitzecheck veröffentlicht, der u.a. den Versiegelungsgrad von 190 deutschen Städten aufführt.
Quellen:
Benötigtes Material
Kosten
Die Kosten können nicht genau genannt werden, da sie sehr nach Fläche, Nachnutzung, etc. variieren.



